Terminbuchung und Kundenbegrenzung im NRW-Einzelhandel gekippt

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Kleider (pixabay)

Medie-Markt hat geklagt, die Richter sagen: zu Recht.

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat mit – heute bekannt gegebenem – Beschluss vom 19. März 2021 dem Eilantrag eines Media-Marktes stattgegeben. Die in der Coronaschutzverordnung fixierten Beschränkungen des Einzelhandels wurden vorläufig außer Vollzug gesetzt – weil sie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar sind.

Das bedeutet, dass ab so­fort im gesamten Einzelhandel in NRW keine Kundenbegrenzung pro Quadratmeter mehr gilt und das Erfordernis der Terminbuchung entfällt.

Allerdings könne das Land auch kurzfristig eine Neuregelung treffen, die keine unzulässigen Benachteiligungen enthält – denn die grundsätzlichen Bedenken, den Einzelhandel als Schutz gegen die Pandemie zu beschränken, teilt das Gericht nicht.

In seiner Begründung führt das OVG seine Entscheidung wie folgt aus:

„Auf der Grundlage der aktuellen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung können seit dem 8. März 2021 wieder alle Einzelhändler öffnen. Für die schon bislang von einer Schließung ausgenommenen Geschäfte (etwa Lebensmittelhandel) bleibt es bei der bisherigen Regelung, die eine Kundenbegrenzung auf eine Person pro 10 qm Verkaufsfläche bzw. pro 20 qm für die 800 qm übersteigende Gesamtver­kaufsfläche vorsieht.

Im übrigen Einzelhandel ist der Zutritt grundsätzlich nur für einen Kunden pro 40 qm Verkaufsfläche und auch nur nach vorheriger Terminvergabe zulässig.

Ausgenommen sind hiervon allerdings die zuvor ebenfalls geschlossenen Buchhandlungen und Schreibwarengeschäfte. Gleiches gilt für Blumengeschäfte und Gartenmärkte, die bislang nur verderbliche Schnitt- und Topfblumen sowie Gemüsepflanzen und Saatgut verkaufen durften. Für sie gelten ebenfalls die günstigeren Öffnungsmodalitäten.

Diese Regelungen hat das Oberverwaltungsgericht nun insge­samt vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt:

Die Beschränkungen verstießen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Bei der Pandemiebekämpfung bestehe zwar ein Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, der sich in einer komplexen Entscheidungssituation befinde und nur mit Prognosen zu den Auswirkungen von Beschränkungen und Lockerungen arbeiten könne. Es sei auch zulässig, schrittweise zu lockern, wobei es zwangsläufig zu Ungleichbehandlungen verschiedener Bereiche komme.

Der Ver­ordnungsgeber habe es deshalb grundsätzlich für Geschäfte wie den Lebensmitteleinzelhandel bei den bisherigen Regelungen belassen dürfen, während für andere Betriebe vorläufig nur eine reduzierte Kundenzahl zugelassen werde und eine vorherige Terminbuchung erforderlich sei.

Die schrittweise und kontrollierte Öffnung weiterer Bereiche des Handels müsse aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zwingend mit einer Verschärfung der Öffnungsbedingungen für die bereits bislang von der Schließung ausgenommenen Geschäfte einhergehen.

Der Verordnungsgeber über­schreite aber seinen Spielraum, wo ein einleuchtender Grund für eine weitere Differenzierung fehle.

Dies sei der Fall, soweit … auch Buchhandlungen, Schreibwarenläden und Gartenmärkte …. unter vereinfachten Bedingungen (größere Kundenzahl, ohne Terminbuchung) betrieben werden dürften. Es erschließe sich nicht und werde … auch nicht begründet, warum dessen Annahme, diese Betriebe deckten ebenfalls eine Art Grundbe­darf, für sich genommen andere Öffnungsmodalitäten rechtfertigen sollte als beim übrigen Einzelhandel.

Da nach der nunmehr geltenden Rechtslage sämtliche Geschäfte  öffnen dürften, könne das Kriterium, ob ein Warensortiment Grundbedarf sei, eine Besserstellung nicht mehr ohne Weiteres begründen. Erforderlich wäre vielmehr, dass der angenommene Grundbedarf gerade die Differenzierung in den Öffnungsmodalitäten nahelege.

Wegen des untrennbaren Zusammenhangs der Regelungen zum Handel hat das Gericht diese insgesamt vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Das bedeutet, dass ab so­fort im gesamten Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen keine Kundenbegrenzung pro Quadratmeter mehr gilt und das Erfordernis der Terminbuchung entfällt.

Der Senat hat allerdings darauf hingewiesen, dass es dem Land unbenommen ist, auch kurzfristig eine Neuregelung zu treffen, die keine unzulässigen Differenzierungen enthält:

Die … grundlegenden Bedenken an der Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen für den Einzelhandel teilte der Senat nicht. Insbesondere sei die Beschränkung der Grundrechte der Einzelhändler angesichts der gravierenden Folgen, die ein erneuter unkontrollierter Anstieg der Neuansteckungen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte, voraussichtlich gerechtfertigt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 13 B 252/21.NE

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